Diskussionen rund um unsere Gewässer
Nahezu zeitgleich mit der endgültigen Absage an das Kraftwerksprojekt Obere Isel kam eine Alarmmeldung des Fischereiverbandes:
"Fünf vor zwölf für Tirols Fische", in welcher auf die drastische Abnahme der Fischarten und -zahlen in unseren Gewässern hingewiesen wird. Zitiert wurden die Ergebnisse einer im Auftrag von Bund und Land erstellten Studie, in welcher im Zeitraum von 2007 bis 2018 an 274 Stellen die Fischbestände erhoben wurden.
Dass auch ursprünglich sehr häufige "Massenfische" wie die Äsche - ein Charakterfisch größerer Fließgewässer in Tirol - nunmehr bedroht sind, berichtet auch der ORF Tirol; sie würden "zunehmend um ihr Überleben kämpfen".
Nahezu 60 Prozent der Tiroler Gewässer entsprächen nicht den EU-Vorgaben. Die oberste Forderung sei "der Schutz der letzten intakten Gewässer, die wir noch haben." "So wie jetzt ist das nicht mehr vertretbar" erklärte der Landesobmann des Fischereiverbandes Andreas Bachler. Es sei vor allem die Politik gefordert, aber auch die Wasserkraft mehr in die Verantwortung zu nehmen.
Solche Aussagen der Fischerei waren in dieser Klarheit bislang eher selten und daher für die Adressaten ungewohnt.
Land und Tiwag setzten sich daher in gewohnter Einigkeit umgehend zur Wehr. Dabei wird verharmlost, manches ökologische Feigenblatt (Fischaufstiegshilfen) bemüht und auch vor Tatsachenverdrehungen nicht zurückgeschreckt: Die Wasserrahmenrichtlinie tritt nicht "erst 2027 in Kraft", sondern gilt schon dem Jahr 2000 und wurde 2003 in österreichisches Recht übernommen. Sie hat das Ziel, innerhalb von 15 Jahren - mit Ausnahmen spätestens 2027 - einen "guten Zustand" der Gewässer zu erreichen.
Speziell in Österreich lief damals die E-Wirtschaft Sturm gegen solche Bestrebungen. Sie hat nicht nur kraftwerksfreundliche Änderungen im österreichischen Wasserrechtsgesetz, sondern auch zeitliche Ausnahmegenehmigungen von der Wasserrahmenrichtlinie erreicht; das zitierte Jahr 2027 ist jenes, in welchem für Schwall/Sunk-Kraftwerke auch jener letzte Ausnahmezeitraum abläuft, um welchen die Tiwag angesucht hat.
Das Ausleitungskraftwerk Strassen-Amlach, dem die Osttiroler Drau zum Opfer fiel, ist eine solche fischschädliche TIWAG-Anlage, die nicht nur in der Ausleitungsstrecke, sondern durch ihren starken Schwall-Sunk-Wechsel auch im Unterliegerbereich zu einer drastischen ökologischen Verarmung geführt hat.
Der Tiwag stünde es ja frei, nicht bis zum letzten Tag mit Verbesserungsmaßnahmen zu warten, sondern schon früher damit zu beginnen.
Im Vorjahr hat auch schon der Rechnungshof einen für Tirol kritischen Bericht zur Gewässersituation veröffentlicht.
Der alarmierende Befund des Fischereiverbandes deckt sich weitestgehend mit dem Ende 2019 erschienenem WWF-Report zum Artensterben in Österreichs Gewässern, in dem mehr als 500 Datensätze offizieller Berichte der Bundesländer an die Europäische Kommission ausgewertet wurden.
Auch diese Diskussion zeigt wieder, wie wichtig noch ökologisch intakte, ohne Stau und ohne Ausleitung fließende Gewässer wie die Isel und die meisten ihrer Zubringer sind: als Refugium für Fließwassertiere und -pflanzen, als Referenzsysteme für die Wissenschaft und als Erlebnis- und Erholungsräume für uns Menschen.
Die Absage des Projektes "Wasserkraft Obere Isel" hat daher auch entsprechend positives Echo hervorgerufen - wie wir z.T. schon berichteten; auch der Naturschutzbund Österreich und die Kronenzeitung freuen sich darüber.
Neue Idee
Der WWF hat schon eine neue Idee in die Diskussion gebracht: Die Isel sei nationalparkwürdig und solle an den schon bestehenden Nationalpark Hohe Tauern angeschlossen werden.
Nationalparks sind im Vergleich zu Naturschutzgebieten und Natura 2000-Gebieten mit zusätzlichen Mitteln und Personal für die Betreuung ausgestattet und profitieren von einem speziellen Fördersystem. Die Einbeziehung der Isel könnte somit nicht nur für den Schutz, sondern auch für die Entwicklung der Region positive Anreize setzen. Die Erhaltung des international einzigartigen Gletscherflusses für die Zukunft ist gerade angesichts der Klimakrise auch von übergeordnetem wissenschaftlichen Interesse. In den Alpen sind nur mehr 11 Prozent der Gewässer intakt. Die Bewahrung der letzten Wildflüsse als Referenzstrecken hat deshalb höchste Priorität
In Österreich gibt es leider nicht wie in den USA den Begriff "National River". Ein solcher "Nationaler Fluss" wäre in Österreich die Isel; ihre Einbeziehung in den Nationalpark Hohe Tauern kann ein würdiges Äquivalent sein.