Ein gewisser Herr Jürgen Bodenseer, seines Zeichens Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer, fühlte sich ebenfalls bemüßigt, Briefchen nach Brüssel zu schicken und Weisheiten zu Natura 2000 von sich zu geben.
Bodenseer war - von anderen Sonderbarkeiten abgesehen - bisher schon mehrfach durch sehr unbedarfte Äußerungen zu Natura 2000 aufgefallen. Nun aber erhebt er ganz unverblümt die Forderung, die EU möge auf die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie verzichten; Naturschutz solle lediglich regional erfolgen.
Wie störend ist doch der Umstand, dass das Gemauschel und gegenseitige Händewaschen zwischen Wirtschaft und Politik auf Kosten der Natur in unseren Bundesländern gelegentlich an Grenzen stößt, welche die EU vorgibt; wie gefürchtet ist die EU offensichtlich, weil ihre Beamten keinem vorauseilendem Gehorsam gegenüber Landes-, Bezirks- und Dorfkaisern unterliegen!
Womit sich Bodenseer als Anwender zweierlei Maßes besonders demaskiert: "das Lobbying vermeintlicher Umweltorganisationen wie WWF oder Umweltdachverband" müsse überprüft werden!!
Was für die Wirtschaft mit ihren Tausendschaften von Lobbyisten in Brüssel gang und gäbe ist, wird der Zivilgesellschaft vorgeworfen - wobei Bodenseer und Konsorten offenbar nicht einmal den Unterschied verstehen können, dass Naturwissenschafter nicht mit erfundenen Behauptungen, sondern mit jederzeit überprüfbaren Tatsachen arbeiten.
Die konventionswidrige Ausgrenzung der Zivilgesellschaft aus Behördenverfahren hat in Österreich offenbar System. Unser Staat verstößt damit zwar seit Jahren gegen die Aarhus-Konvention und wird deshalb auch immer wieder verurteilt, macht aber keine Anstalten, diesen rechtswidrigen Umstand zu beseitigen. WWF und Ökobüro haben gerade wieder auf diesen Umstand hingewiesen.
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Ergänzend zum Thema in regionaler Hinsicht:
Ein Kommentar von Gottfried Rainer, einem der besten Kenner der Verhältnisse in unserem Bezirk und Zeitzeuge der letzten fünfzig Jahre.
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Und eine Außensicht auf Österreichs Umwelt- und Naturschutz:
Der EU-Report zu Österreichs Umweltpolitik.
In ihm werden bezüglich der Natura 2000-Ausweisungen gravierende Defizite festgestellt, bedingt durch die auf die einzelnen Bundesländer zersplitterte Vorgehensweise. Infrastrukturprojekte bedrohen den Gewässerschutz; Steuern könnten vom Bereich Arbeit auf den Umweltbereich umgelagert (und damit z.B. auch die überhöhten Stickoxidwerte verringert) werden.
Auf Seite 29 des Reportes wird zur Aarhus-Konvention angeregt: "Ergreifung der notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der rechtlichen Situation von NRO aus dem Umweltbereich, um Handlungen oder Unterlassungen einer Behörde in Bezug auf alle Sektoren der EU-Umweltgesetzgebung anfechten zu können".
Herr Bodenseer und so manch weitere Vertreter von Wirtschaft und Politik werden das nicht so gerne hören, wenn sie sich überhaupt damit beschäftigen sollten. Wir Bürger aber werden sie weiterhin sehr deutlich daran erinnern.